CfP: 125 Jahre Centralverein

CfP: Konferenz "Ein Jubiläum ohne Jubilar - 125 Jahre Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens", 12.-14. November 2018

Tagungsort: Universität Potsdam
Organisiert von Tilmann Gempp-Friedrich (Vereinigung für Jüdische Studien e. V., Centralverein.net), Rebekka Denz (Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Centralverein.net) und Prof. Dr. Thomas Brechenmacher (Universität Potsdam)
Eine Kooperation der Universität Potsdam, der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der Vereinigung für Jüdische Studien e. V. und Centralverein.net

"Der C.-V. deutscher Staatsbürger j. Glaubens E. V. wurde 1893 in Berlin gegründet. […] Der Zweck des C.-V.'s wurde bei seiner Begründung in dem seither unveränderten § 1 der Satzungen folgendermaßen festgelegt: 'Der C.-V. deutscher Staatsbürger j. Glaubens E. V. bezweckt, die deutschen Staatsbürger j. Glaubens ohne Unterschied der religiösen und politischen Richtung zu sammeln, um sie in der tatkräftigen Wahrung ihrer staatsbürgerlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung sowie in der unbeirrbaren Pflege deutscher Gesinnung zu bestärken.' Der. C.-V. lehnt also bei völliger religiöser Unparteilichkeit den j. *Nationalismus ab und sieht die deutschen J. als Angehörige des deutschen Volkes an." Als der Syndikus des Centralvereins Ludwig Holländer 1927 den Eintrag zum Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens für das "Jüdische Lexikon" verfasste, hatte der C. V. sein zehnjähriges und sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum bereits begangen. Das fünfzigjährige konnte der Jubilar nicht mehr feiern, da die größte jüdische Organisation in Deutschland 1938 zwangsaufgelöst wurde.

Der Centralverein war durch seine schnell ansteigende Mitgliederzahl, seine überregionale Verbreitung und seine zeitgenössische Öffentlichkeitswirkung einer der wichtigsten Akteure im jüdischen Leben vor der Shoah. Durch seine politische Arbeit, sein kulturelles Engagement sowie den Kampf gegen Antisemitismus vor Gericht und in der Öffentlichkeit galt er als eine wirkmächtige Stimme von gesamtgesellschaftlicher Relevanz, die die rechtlich schon existierende Gleichberechtigung einforderte und dabei eine selbstbewusste jüdische Identität vertrat.

Umso mehr wundert es, dass der Centralverein im Vergleich mit Forschungen zum Zionismus in der (jüdischen) Geschichtsschreibung bislang unterrepräsentiert blieb. Die ersten Arbeiten, die nach der Shoah erschienen, wurden von emigrierten ehemaligen Mitgliedern verfasst und beschränkten sich oftmals auf eine deskriptive Zusammenfassung der Arbeit des Centralvereins mit einem deutlichen Fokus auf der Abwehr des Antisemitismus. Das mag angesichts der überhandnehmenden zionistischen Narrative verständlich sein, führte aber dazu, dass die weitere Forschung sich mit dem Centralverein meist nur noch im Kontext der Antisemitismusforschung auseinandersetzte. Eine deutliche Konjunktur wurde durch die Wiederentdeckung des als verschollen bzw. als kriegszerstört gegoltenen C. V.-Archivs in Moskau im Jahr 1990 und durch Avraham Barkais ideengeschichtliche Gesamtdarstellung "'Wehr Dich!' Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C. V.). 1893- 1938." aus dem Jahre 2002 ausgelöst. So sind in den letzten Jahren einige Arbeiten erschienen, die den Centralverein und seine facettenreichen Tätigkeiten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.

Um diese Forschung zu bündeln und dem wachsenden Interesse am Centralverein Rechnung zu tragen, wurde 2017 Centralverein.net - Forschungsnetzwerk zum C.V. gegründet. Das Online-Netzwerk hat sich die Aufgaben gestellt, zur Forschung über den Centralverein anzuregen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu vernetzen sowie das Wissen um seine Geschichte stärker in der akademischen, musealen und publizistischen Öffentlichkeit zu verankern. Die Konferenz soll ein weiterer Schritt sein, den C. V. als Organisation und seine Aktivitäten differenzierter zu betrachten.

Es soll versucht werden, mit unterschiedlichen methodischen und theoretischen Ansätzen die Strukturen, handelnde Personen und Tätigkeiten des Centralvereins darzustellen, nachzuvollziehen und zu analysieren. Hierzu bietet es sich an, den C. V. nicht nur historiographisch, sondern auch mit den Methoden einer historisch arbeitenden Organisationssoziologie in den Blick zu nehmen. Auch wenn der C. V. seinem Namen nach und in seinen regionalen Gruppen durchaus als Verein betrachtet werden kann, kann er als Ganzes doch als Organisation angesehen werden, was Fragen nach dem Zweck, der Mitgliedschaft und den Hierarchien (nach Niklas Luhmann) viel deutlicher - sowohl nach innen wie auch nach außen - stellt. Dabei soll dieser methodische Zugriff keineswegs verengend wirken, sondern vielmehr der Erweiterung anderer Ansätze, wie der Biographieforschung, Frauen- und Geschlechtergeschichte, Diskursanalyse, oder auch kulturwissenschaftlichen Zugängen dienen.

Mögliche Themengebiete könnten sein:

  • Ideologische und politische Positionierungen des Centralvereins
  • Wie zentral war der Centralverein? Die Rolle des C. V. in der jüdischen und nichtjüdischen Gesellschaft
  • Wie zentralistisch war der Centralverein?
  • Beziehungsgeschichte: Der C. V. und andere Organisationen
  • Der C. V. im europäischen Vergleich: Jüdische Selbstorganisation in anderen Staaten
  • Der Centralverein auf dem Lande
  • Deutsche Staatsbürger(innen) jüdischen Glaubens: Führungspersönlichkeiten und Mitglieder
  • Jugendarbeit im C. V.
  • Das Publikationswesen des Centralvereins
  • Von schöner Literatur und Kampfschriften: Philo-Verlag und der C. V.
  • Der Centralverein in der Emigration
  • Aus der Praxis: Die aktuelle Archivsituation

Vortragsvorschläge in anderen Themengebieten sind möglich.

Alle Interessentinnen und Interessenten laden wir dazu ein, bis zum 06. November 2017 Vorschläge für einen Vortrag einzureichen. Auch möchten wir besonders Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem frühen Stadium ihrer Karriere zu einer Bewerbung ermuntern. Pro Vortrag sind 30 Minuten individuelle Präsentationszeit vorgesehen, auf die jeweils eine offene Diskussion im Plenum (15 Minuten) folgt. Bei Interesse senden Sie bitte an die unten angegebene Kontaktadresse ein Exposé des Vortrags (max. 400 Wörter) und einen tabellarischen Lebenslauf (max. 2 Seiten). Eine Veröffentlichung ausgewählter Konferenzbeiträge ist geplant.
Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.
Vorbehaltlich der Finanzierungszusage können Reise- und Unterkunftskosten übernommen werden, sollte die Heimatinstitution dafür keine Mittel zur Verfügung stellen.
Ihre Themenvorschläge und Anfragen richten Sie bitte an folgende E-Mail-Adresse: info@centralverein.net