Zur Geschichte des Centralvereins
Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens wurde 1893 als Abwehrverein gegen den Antisemitismus gegründet. Von Berlin ausgehend etablierte er sich schnell als die Organisation, die das sogenannte akkulturierte Judentum sammeln konnte. Die Positionen des Centralvereins lassen sich im jüdischen Bürgertum und damit im deutschen Bürgertum im Allgemeinen verorten. Dabei betonte der Verein bereits in § 1 der Satzung seine Offenheit für jüdische Menschen aller politischen und religiösen Ausrichtungen. Diese Offenheit blieb aber theoretisch, da sich de facto überwiegend liberale, deutsch-patriotische Bürgerliche in ihm organisierten, die sich zumeist kulturell und liberal-religiös als jüdisch definierten.
Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte sich in nahezu jeder Stadt mit einer nennenswerten jüdischen Gemeinschaft eine Ortsgruppe gegründet. So wundert es nicht, dass er in der Weimarer Republik der größte jüdische Verein im Deutschen Reich war sowie eine wirkmächtige Stimme in der politischen und kulturellen Landschaft, sowohl innerhalb des Judentums als auch darüber hinaus. Dabei bot er eine nationaldeutsche Gesinnung an, ohne das Judentum zu verleugnen, vielmehr galt es, die rechtlich schon existierende Gleichberechtigung durch politische und kulturelle Arbeit einzufordern.
Die Arbeitsschwerpunkte des Centralvereins lagen beim Kampf gegen und bei der Aufklärungsarbeit über den Antisemitismus und Nationalsozialismus nach innen und nach außen. Die Verbreitung von Wissen über jüdisches Leben in Gegenwart und Vergangenheit unter den Mitgliedern – und nach außen in die weitere, sehr heterogene, jüdische, aber auch christliche Gesellschaft – war der nächste Aktionsbereich des Vereins. Sehr häufig griffen die beiden Tätigkeitsfelder ineinander und überlagerten sich. Ganz konkret setzte die Organisation ihre Ziele Aufklärungsarbeit und Wissensvermittlung durch ein reichhaltiges Presse- und Publikationswesen sowie mit Hilfe von Vorträgen und Kundgebungen um. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt des Vereins war die Rechtsberatung.
Ab 1933 wurde die Arbeit des Centralvereins erschwert und nach und nach eingeschränkt. Der C.V. war ein Motor der (zwangsläufigen) Schaffung neuer innerjüdischer Organisationsstrukturen und der jüdischen Selbsthilfe, wie der im September 1933 gegründeten Reichsvertretung der deutschen Juden. Im Zuge der „Nürnberger Gesetze” benannte sich der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens in Centralverein der Juden in Deutschland bzw. 1936 in Jüdischer Centralverein um. Im November 1938 wurde die Organisation durch die Nationalsozialisten zwangsaufgelöst.